Einen bemerkenswerten Geburtstag feierte die Familie Ketterer: Die Mutter des Firmengründers, die aus Elzach-Yach stammende Tagelöhnerin Theresia Ketterer, wäre am vergangenen Donnerstag 200 Jahre alt geworden. Für die damaligen Verhältnisse war es eine glückliche Fügung, dass ihr unehelicher Sohn Michael mitsamt einer Kuh an die Schlossbrauerei nach Hornberg verkauft wurde, wo er eine Brauerlehre machen konnte und im Jahr 1877 selbst eine Brauerei gründete.
Im Gedenken an diesen außergewöhnlichen Geburtstag fand eine Feierstunde in Yach statt. Hier präsentierte die in Freiburg studierende Ida Vollmar ihre Forschungsarbeit zum Thema „Unehelichkeit in Südwestbaden im 19. Jahrhundert.“ Vollmar zeigte anhand umfangreicher Recherchen, die sie mit Unterstützung des Heimat- und Landschaftspflegevereins Yach durchführte, dass es in den 1830er Jahren eine Vielzahl von unehelichen Kindern gab: Im Jahr 1833 war nahezu die Hälfte aller Geborenen nichteheliche Kinder. Das sei damals ein normaler und akzeptierter Zustand gewesen, so Vollmar. Denn die Mütter waren oft Tagelöhnerinnen oder einfache Arbeiterinnen in der Landwirtschaft. Ohne die ökonomischen Grundlagen war eine Eheschließung gesetzlich verboten.
Um die Gegebenheiten der damaligen Zeit besser zu veranschaulichen, suchte Vollmar nach einem konkreten Fallbeispiel und fand dies in Theresia Ketterer (1821-1887). Diese arbeitete und lebte in einem Taglöhnerhäuschen in Yach und wurde drei Mal unverheiratet schwanger. Neben einer Totgeburt und der Geburt einer Maria, die allerdings nur elf Tage alt wurde, erblickte Sohn Michael 1847 das Licht der Welt. Es ist bis heute nicht bekannt, wer die Kinder gezeugt hatte. Dies sei laut Vollmar den damaligen Umständen geschuldet, wo zu verschiedenen anderen Tagelöhnern Beziehungen bestanden oder sich der Kindsvater von der Frau nach dem sogenannten „Probeliegen“ abwendete. So wurde es damals bezeichnet, wenn die Fruchtbarkeit von Frauen getestet werden sollte. Auch sei der Tod des Vaters denkbar oder eine Zeugung unter unfreiwilligen Umständen. Der junge Michael wuchs also in ärmlichen Verhältnissen auf und musste schon früh als Hirtenbub auf dem oberen Fischergrundhof in Yach Tiere hüten. In seinem 14. Lebensjahr kam es dann zu einer unüblichen Wendung: Michael wurde zusammen mit einer Kuh an die Hornberger Schlossbrauerei überstellt, wo er eine Brauerlehre absolvieren konnte. Dies legte den Grundstein für die 1877 erfolgte Gründung der bis heute bestehenden Hornberger Familienbrauerei Ketterer.
Theresia Ketterers Ururenkel Michael Ketterer war von der Forschungsarbeit Vollmars sehr angetan. Denn bis dato waren solche Details zur Gründungsgeschichte der Familie nicht bekannt. Michael Ketterer wusste lediglich aus handschriftlichen Aufzeichnungen seines Vaters, dass der Firmengründer rote Haare hatte und den Sommer über als Hütekind auf dem Rohrhardsberg gearbeitet hatte. Die Unternehmerfamilie entschloss sich spontan, mit dankbarem Blick auf ihre Wurzeln der Region etwas zurückzugeben. So freute sich Bürgermeister Roland Tibi, eine Spende in Höhe von 10.000 Euro entgegennehmen zu können. Diese wird nun teilweise für weitere Projekte des Heimat- und Landschaftspflegevereins Yach eingesetzt. Außerdem erhält die Landjugend vor Ort einen Teil für ihrer Arbeit und Räumlichkeiten. Zum dritten wird die Lebenshilfe Kinzig- und Elztal bedacht. Diese pflegt seit vielen Jahren eine Geschäftsbeziehung mit der Brauerei. Denn in den Behinderten-Werkstätten werden die Bügelverschlüsse für die jeweils neu bestellten Bierflaschen Ketterers aufgezogen.
Zusammen mit Vertretern der Stadt und Ortschaft, den Spendenempfängern und mit musikalischer Umrahmung der Trachtenkapelle Yach beging die Familie im festlich geschmückten Yacher Bernhardussaal den 200. Geburtstag von Theresia Ketterer. Die Familie Ketterer überreichte hierzu eine Infotafel über das damalige Leben der Hirtenbuben, die am rund 20 Kilometer langen Yacher Hirtenweg angebracht wird, um diese außergewöhnliche Geschichte lebendig zu halten.